Sonntag, 2. Januar 2011

Neujahrskonzert mit weiblicher Besetzung

Für die einen ist es ein liebgewonnenes Ritual, für die anderen eine eherne Tradition. Die Rede ist vom Neujahrskonzert, das vom ORF in alle Welt übertragen wird. Es soll ja auch eine verschwindend geringe Anzahl an Menschen geben, denen das Neujahrskonzert wurscht ist. Aber wie gesagt. Hier handelt es sich wohl um eine quantité négligeable.

Und was gab es 2011 nicht für Neuerungen und Premieren. Berauschend wie die Champagnerpolka fiedelten die Wiener Symphoniker, die mittlerweile ja auch Wiener Symphonikerinnen unter sich zählen, unter dem neuen Zampano der Wiener Staatsoper Franz Welser-Möst. Nach Jahren der Absenz (Nikolaus Harnoncourt dirigierte 2003) dirigierte wieder ein österreichischer Dirigent das österreichische Vorzeigorchester in seiner Paradedisziplin: die Interpretation des Werke der Familie Strauß.

Ein weiteres Novum bestand darin, dass gleich 4 Musikerinnen (mit kleinem i) an diesem Event der Sonderklasse teilnahmen, eine von Ihnen sogar sogar als Konzertmeisterin. Albena Danailova spielte - wenn Sie so wollen - die stellvertretende erste Geige. Und noch eine Premiere gab es: die Frauen trugen einen von Markus Binder entworfenen Hosenanzug mit einer sehr männlichen Linie.

Und last but not least gab es eine weitere Premiere: Unser allerliebstes Boulevardblatt "Österreich" schloss sich dem rot-weiß-roten Neujahrsschulterschluss an und berichtete auf der ersten Seite von der "Frauenpower fürs Neujahrskonzert." In Wirklichkeit ist die Weiblichkeit für das Orchester wurscht. Es spielen ja bekanntlich nur "die Besten". Und wie die Konzertmeisterin Albena Danailova sagt: "Wir sind in erster Linie Menschen, Musiker, nicht Männer oder Frauen. Meine Konkurrenten beim Probespielen waren Männer, aber die Jury hat mich gewählt." (Österreich vom 01. 01. 2011). Komisch, dass die Wiener Philharmoniker länger als alle anderen brauchte, um Frauen aufzunehmen, wo Bewerber*innen doch nur Musiker und Menschen sind.

Euke Klaavs erklärt

Euke Klaavs macht auf sich aufmerksam. Sie kommentiert in einer schnoddrig-direkten Art, die einfach erfrischend wirkt.
Besonders nett ist ihr Beitrag zu "gender". Leider ist es nicht möglich, den Beitrag direkt hier einzubetten, daher der Link auf Youtube.

Euke Klaavs

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Frauenparkplätze

Frauenparkplätze sind besondere Parklplätze, die Übergriffe auf Frauen in dunklen Parkhäusern verhindern sollen. Deshalb befinden sie sich meistens im Eingangsbereich des Parkhauses, sind permanent beleuchtet und teilweise videoüberwacht. Sie dienen vor allem der Erhöhung des Sicherheitsgefühls für Frauen.

Auf der anderen Seite sind diese Einrichtungen ein gern genutztes Topos um Frauen mangelndes Fahrkönnen etc. anzukreiden und Anlass für sexistische Witzchen.

Von der bundesdeutschen Antidiskriminierungsstelle werden Frauenparkplätze explizit als nicht diskriminierend dargestellt. In den FAQ heißt es: Ist die Schaffung von Frauenparkplätzen diskriminierend?

"Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist auch im Rahmen des AGG (=Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Anm.) zulässig. Da in Tiefgaragen Frauen häufiger als Männer Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind, kann die Errichtung von Frauenparkplätzen eine sinnvolle Maßnahme sein, um solchen Straftaten vorzubeugen.

Interessant finde ich einige Argumentationen, die sich gegen die Schaffung solcher Parkplätze richten. Mein neuestes Fundstück in Sachen Antifeminismus und Frauendiskriminierung ist das so genannte WikiMANNia.org. Es handelt sich hier um eine explizit antifeministische Einrichtung, die Männer als Opfer des Feminismus und Gender Mainstreaming darstellt.

Zum Thema Frauenparkplatz gibt es einen eigenen Eintrag, der den geneigten Leser*innen erklärt, wieso Frauenparkplätze frauendiskriminierend sind. Es wird behauptet, dass die Hinweise für die Frauenparkplätze einen Rückgang an Belästigungen gegenüber Männern brachte da es den potenziellen Sexualstraftäter*innen noch leichter gemacht wurde, weibliche Opfer zu finden. Ein ziemlich krudes Argument, da die Parkplätze für Frauen stets gut einsehbar sind.

Als weiteres Argument wird die verursachte Bewegungsarmut angeführt. Ich zitiere: "Wie jeder weiß, ist Bewegungsarmut Hauptursache vieler Zivilisationskrankheiten. Indem man Frauen also dazu bewegt, die schlechtesten Parkplätze (nämlich jene mit den kürzesten Wegen) zu benutzen, entsteht eine weitere gesundheitliche Bevorzugung von Männern." Auf der gleichen diskursiven Ebene könnte ich entgegen halten: Durch die Tatsache, dass Frauen häufiger einkaufen fahren und somit mehr Gewicht schleppen, gleichen sie die durch Frauenparkplätze verursachte vermeintliche Bewegungsarmut aus. (Vorsicht Ironie!)

Das letzte Argument bezüglich Parkschäden, die angeblich häufiger von Frauen verursacht werden, erspare ich mir und Ihnen jetzt.

Wikimannia.org wird weiterhin zu beobachten sein. Frauenparkplätze sind sicherlich jetzt kein Thema an dem die Gesellschaft auseinander bricht, zeigt aber, wie vehement sich Männer benachteiligt fühlen können und zu welchen teils absurden Argumenten gegriffen wird.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Weiberwirtschaft und Die Zeit

Die Wochenzeitung "Die Zeit" bringt einen interessanten Beitrag zur laufenden Feminismusdebatte in Deutschland - aus dem Blickfeld der Ökonomie.

Unter dem Artikel "Weiberwirtschaft" wird ausgehend von Allison Pearsons Bestseller Working Mum der Gender Pay Gap noch einmal aufgerollt. Die Argumentation der Autorin ist einfach: Betrachtet mensch den Unterschied zwischen Mann und Frau rein ökonomisch, käme mensch relativ weit in der Diskussion.

Die Barrieren für Frauen werden unterschätzt – die Neigung von Frauen, diese Barrieren zu überschreiten, allerdings auch. Im Grunde ist beides eine Angelegenheit für Ökonomen. Ihre Daten zeigen, wie wenig sich ändert – und sie liefern die passenden psychologischen Erklärungen. Der wirtschaftliche Ansatz gefällt sogar Frauenforscherinnen, weil er Frauen als selbstbestimmte und rationale Akteure sieht. heißt es im Beitrag.

Dabei nimmt Autorin Elisabeht Niehjar auch Rücksicht auf die sozialen Unterschiede. Sie zeichnet nicht nur, das Bild der Powerfrauen, die immer am Rande der Überforderung stehen, oder leicht drüber, sondern auch jenes von Frauen in anderen Berufen. Das Fazit: Die eigentlichen Probleme kommen erst, da die niedrigen Gehälter der Frauen durchaus zu einer gewissen Altersarmut führen werden. Latent wird der deutschen Familienministerin damit fehlende Weitsicht vorgeworfen, da Frau Schröder ja der Meinung ist, dass die Frauen ihrer Generation (sprich der unter 40Jährigen) keine Probleme mit Ungleichbehandlung spürten.

Die Daten sind andere: Frauen verbringen wesentlich mehr Zeit außerhalb des Erwerbslebens durch Kinderbetreuungszeiten - und was der Artikel nicht sagt - Pflegezeiten. Frauen sind oft "freiwillig" in prekären Beschäftigungsverhältnissen und Teilzeitjobs, da sie die Verantwortung für die Erziehung der Kinder nicht komplett delegieren möchten. Und dies wird auch noch durch steuerliche Anreize (zumindest in Deutschland) gewährleistet. Ein absoluter Wert des Artikels besteht darin, Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit zu begreifen und sie aus dem Opfereck herauszuholen. Viele Entscheidungen sind allerdings nicht immer ganz freiwillig. Es gibt Anreize oder um ein anderes Lieblingswort der Politik zu benutzen: Rahmenbedingungen. Diese könnten verändert werden - und somit etwa den Gender Pay Gap reduzieren. Hier ist aber nicht nur Frau Schröder gefordert, sondern wir alle.

Elisabeth Niehjar prägt im Laufe ihres beitrages den Satz "Feminismus ist ein Zukunftsprojekt". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Link: Die Zeit

Freitag, 3. Dezember 2010

Die Frauen in der DDR

Die Journalistin Claudia Wagnerin veröffentlichte ein Buch über die Verluste der Frauen der ehemaligen DDR. Es handelt sich um eine Zeitreise in 40 Jahre DDR, die jedoch lange vorher beginnt. Bei den Sozialist*innen der Jahrhundertwende, die ein Wahlrecht forderten bis hin zu den Funktionärinnen, Journalistinnen und Lehrerinnen, die die DDR erlebten.

Wagnerin zeichnet in ihrem Buch die Entwicklung der Frau in der DDR über 40 Jahre und stellt sie heutigen Entwicklungen entgegen.

Claudia Wangerin: Die DDR und ihre Töchter. Das Neue Berlin. 208 S., br., 12,95 €

Rezension auf Neues Deutschland

Dienstag, 30. November 2010

10 Jahre interministerielle Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming und Gender Budgeting

Anlässlich eines Festaktes zum 10-jährigen Bestehen der interministeriellen Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming und Gender Budgeting wies Frauenminisiterin Heinisch-Hosek (SPÖ) darauf hin, dass "die Herausforderung der Zukunft (...)darin [läge], Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in der Verwaltungsroutine zu verankern".

Die interministerielle Arbeitsgruppe wurde im Jahr 2000 - also zur Zeit der blau-schwarzen Regierung (sic!!) - gegründet und legte den Grundstein für die weitere Verankerung von Gender Mainstreaming in der österreichischen Politik. Besonders stolz war die Ministerin auf die Tatsache, dass Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in die Verfassung aufgenommen worden seien."

Lesen Sie hier die gesamte Aussendung der Pressesprecherin von Ministerin Heinisch Hosek

Mittwoch, 24. November 2010

Wa(h)re Männer...

In meinem Leben herrscht das Prinzip der Kulmination. Bestimmte Dinge kommen zeitweise in besonderer Häufung vor, bevor sie wieder von meinem Wahrnehmungsbildschirm verschwinden. Das Leben ist also keine Sinuskurve, sondern eine Wiese mit vielen Maulwurfshügeln, die es zu bearbeiten gilt.

Der neueste Maulwurfshügel auf meiner Lebenswiese heißt "Junge Freiheit". In meinem letzten Beitrag hier in diesem bescheidenen Weblog war es dieses Medium, das die Aussagen von Herrn Krüger in besonderer Weise kritisierte. Nun eine Woche später macht dieses Periodikum wieder auf sich aufmerksam.

Herr Schmidt-Ahmad, ein junger Mann, der Sozialwissenschaften und Philosophie studierte und ansonsten auch sehr umtriebig auf islamophoben Seiten, wie den PI-News publiziert, verfasst in der "Jungen Freiheit" einen Beitrag mit dem Titel "Die entmannte Gesellschaft". In dieser Kolumne stellt er dem Matriachatsmythos von der gemeinschaftlich organisierten Matriachatsgesellschaft letztendlich die Gründung der Römischen Republik entgegen, die alles andere als gewaltlos ist. Das Brillante am Beitrag von Herrn Schmidt-Ahmad ist, dass er der expansionistischen Republik die "virtus" als grundlegender Baustein ableitet, ja ohne die "virtus" es womöglich gar keine römische Republik und in Folge kein Kaisertum gegeben hätte und in weiterer Folge wahrscheinlich auch kein "heiliges römisches Reich deutscher Nation". Wie dem auch sei die so genannte "Virtus" Schmidt-Ahmad sieht die "virtus" nicht nur als Grundpfeiler des römischen "Gemein"wesens, sondern auich als besonders männliche Tugend. In der Tat streiter er gar nicht ab, dass "virtus" von "vir" (Mann) ableitet wurde. Im Übrigen sind die "Tugenden" wie mensch "virtus" aus dem Lateinischen übersetzen kann und darf heute im Französischen beispielsweise noch immer in Form der allerdings weiblichen "vertu" oder der englischen "virtue" vorrätig. Herr Schmidt-Ahmad geht sogar so weit, diesen Wert, diese Tugend - sprich die virtus - als explizit männlich herauszustreichen und bedauert im gleichen Atemzug, dass die männlichen Tugenden durch den Feminismus abgeschafft wurde. Ich darf an dieser Stelle den Autor zu Wort kommen lassen:

"Es ist kein Zufall, daß sich die bürgerliche Tugend der virtus, aus der heraus sich das römische Gemeinwesen aufbaut, von „vir“ ableitet, dem lateinischen Wort für Mann. Denn es sind vordergründig männliche Eigenschaften, die hier beschworen werden: Hart und streng zu sich und anderen, tapfer und kühn gegen Feinde des Gemeinwesens und so weiter – Roms Gründer hielten offensichtlich nichts von „Gender Mainstreaming“."


Herr Schmidt-Ahmad wittert in gewisser Weise Gefahr. Er sieht die Gesellschaftsordnung nicht nach matriachalen Gesichtspunkten gegliedert und durch die Entmannung sei sie vollkommen schutzlos. Fast schon subtil skizziert er ein Bedrohungsszenario durch "männliche" ich würde sagen "machistische" Gesellschaften, die der verweiblichten (an den Stammtischen würde das Wort "weibisch" wohl eher die Runde machen) deutschen Gesellschaft Gefahr bringen. Der Autor noch einmal im Zitat:

"Es kann keine Rücksicht darauf genommen werden, daß auch der dümmste Tölpel aus seinem Fiebertraum der friedlichen, multikulturellen Gesellschaft erwacht. Es kann nicht auf die begriffsstutzigste Feministen gewartet werden, die irgendwann begreifen wird, daß der einzige Schutz vor männlicher Gewalt nur männliche Gewalt sein kann – und nicht ihre weibliche Gesprächskompetenz."


Nun hätte Herr Schmidt-Ahmad die Geschichte der Republik auch im alten Griechenland beginnen lassen können, wo die Barbaren und Frauen explizit aus der Regierungsgeschäften heraus gehalten wurden. Nun hätte er weiter - bevor er auf der "virtus" herum reitet - zugeben müssen, dass die Gesellschaft die Frauen bis ins 20. Jahrhundert faktisch aus der Demokratie ausschloss und ihnen gar nicht die Möglichkeit zur Mitgestaltung einräumte. Vielleicht hätte Herr Schmidt-Ahmad auch mitbekommen, dass die weibliche Geschichte also das, das im anglophonen Sprachraum als "Her-Story" bezeichnet wird, konsequent negiert wurde und Errungenschaften durch Frauen wie etwa Hildegard von Bingen, Louise von Preußen, Melitta Bentz, Sophie Scholl uam. erst durch den Feminimus einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden - und mit ihr die vom Autor geschmähten, weiblichen Werte. Dass Männer in der heutigen Zeit ihre "virtutes" neu definieren müssen und sollen, mag unbestritten sein. Ein "Vorwärts, Kamaraden wir müssen zurück" - zurück in die Zeiten als ein Mann noch ein Mann war und die Frau ihm Untertan - kann es nicht mehr geben. Auch das sollte ein Philosoph, der sich mit Werten und Wertigkeiten beschäftigt, erkennen. Es wird jedoch zu bezweifeln sein, dass die Junge Freiheit es in Hinkunft unterlässt, antifeministische Maulwurfshügel zu stoßen.

Junge Freiheit, Kolumne "Entmannte Gesellschaft"

Dienstag, 16. November 2010

Und nun Krüger...

Was ist denn nur los in Deutschland? Nachdem sich Frauen- und Familienministerin Schröder und Feministin Schwarzer in die Haare kriegten, steht nun ein Mann im Kreuzfeuer der Kritik - wobei mensch um genau zu sein zu wollen, von "Kreuz"feuer sprechen müsste.

Thomas Krüger - seines Zeichen Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung" in der Bundesrepublik Deutschland - hielt anlässlich einer Tagung eine Eröffnungsrede. Dies ist an und für sich nichts Ungewöhnliches. Auch, dass politische Bildung sich mit Fragen von Gender und Geschlecht beschäftigt dürfte keinesfalls so abwegig sein.

Thomas Krüger war allerdings bei seiner Eröffnungsrede zur Tagung "Das flexible Geschlecht: Gender, Glück und Krisenzeiten in der globalen Ökonomie, Berlin 28.-30. Oktober 2010" so unvorsichtig eine kleine Tour d'horizon über wichtige Stationen des Feminismus zu machen.

Auch dies wäre noch kein Problem, hätte er in Bezug auf Deutschlang nicht die Namen Rosa Luxemburg und Clara Zetkin in den Mund genommen. Krüger im Zitat:

"In Deutschland kämpften Feministinnen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg für Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht. Luxemburg war es auch, die schon früh auf das Versäumnis der Frauenfrage im Kampf um soziale Gerechtigkeit verwies und vice versa. Darauf verweist das folgende Zitat: "Haben die Sozialisten sich lange um die Frauenfrage als zentrale zu drücken versucht, haben später die bürgerlichen Feministinnen die Hegemonie erlangt und wiederum die Klassenfrage ignoriert
."

An und für sich - soweit ich historisch informiert bin - keine falsche Einschätzung. Zudem ist klar, dass die Arbeiterbewegung auch in Österreich der so genannten Frauenfrage wenig Priorität einräumte. In Österreich waren es dann Adelheid Popp und Therese Schlesinger-Eckstein, die weibliche Prioritäten innerhalb der Arbeiter*innenbewegung setzten, allerdings sind diese nicht als klassische Sozialistinnen/Kommunistinnen in die Geschichte eingegangen.

Aber zurück zu Thomas Krüger. Der noch größere Fehler war es die Frauenpolitik der DDR inklusive Abtreibungsmöglichkeit bis zum dritten Monat zu loben. Wieder Krüger im Zitat:

"In der DDR galten Geschlechterunterschiede mit dem sozialistischen Gleichheitspostulat quasi als überwunden. Die beinahe Vollbeschäftigung von Frauen und die flächendeckende staatliche Kinderbetreuung ließen in Westdeutschland heiß debattierte Themen um arbeitenden Mütter und Selbstverwirklichung im Job obsolet erscheinen. Abtreibung war bis zum dritten Schwangerschaftsmonat straffrei. Doch auch in der DDR wie heute im wieder vereinten Deutschland kam den Müttern zumeist die Doppelverantwortung für Kindererziehung und Erwerbstätigkeit zu, allerdings mit dem Unterschied, dass durch die Posteriorität der Ernährer-Ehe viele Frauen kurzerhand den Männern die Tür wiesen und das Familienunternehmen komplett selbst in die Hand nahmen."

Ich habe mir die Freiheit genommen, die Zitate etwas ausführlicher zu zitieren und nicht nur auf den Satz mit der Abtreibung hinzuweisen, der vor allem die christlichen Funktionär*innnen und katholischen Glaubenshüter*innen erzürnt. Es sind dann auch die üblichen Verdächtigen, die das Wort "Freiheit" auf ihren Bannern tragen, die Pro-Abtreibungsäußerungen und positive Erwähnungen der Arbeiter*inndenbewegung und ihrer Protagonist*innen gleich mit Rücktrittsrufen und Schmähungen bedenken.

In der "Jungen Freiheit", einer deutschen Wochenzeitung, die von einigen Kommentator*innen als Sprachrohr der "Neuen Rechten" gehandelt wird, wehrt sich der bayrische Landtagsabgeordnete Goppel (CSU) natürlich gegen die Hinweise, die die DDR und Zetkin/Luxemburg betreffen. Auch die Internetzeitung "Freie Welt", die vom Institut für stategische Studien in Berlin, getragen wird, kocht zwei Wochen nach dem die Rede gehalten wurde, das Süppchen um die angeblichen Verfehlungen von Herrn Krüger hoch. Es seien insbesondere katholische Verbände und Funktionäre, die den Rücktritt von Herrn Krüger forderten. Der druck auf Krüger wächst und so gibt es ein Wechselspiel der Gender-Themen. Schwarzer vs. Schröder, PID am Parteitag der CDU und katholische Politiker*innen gegen Thomas Krüger. Es scheint also rund zu gehen in good old Germany, zumindest im Bereich Feminismus.

Ich kann zwar für meinen Teil nichts Anrüchiges an den Ausführungen von Herrn Krüger finden. Aber zum besseren Verständnis sei angeführt, dass Thomas Krüger SPD-Mitglied ist, als junger Mann in Berlin für seinen Freikörperkultur-Wahlkampf für Furore sorgte, in der DDR aufwuchs und offensichtlich kein Problem damit hat, sich mit der Kirche (evangelisch/katholisch) anzulegen, zumal er selbst Theologie studierte. Im Übrigen ist seit dem Jahr 2000 der Präsident der Bundeszentrale.

Link zur Rede von Thomas Krüger

Freitag, 12. November 2010

Schröder gegen Schwarzer... das ist Brutalität

Die beiden Damen mögen mir diesen Titel in Anlehnung an Hemut Qualitinger verzeihen, doch er passt gerade so schön. Worum geht es? Die deutsche Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und die Feministin Alice Schwarzer gerieten sich publizistisch in die Haare. Der Grund für die offen ausgetragene Querelle ist ein Interview, das die Familienministerin dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gab.

Schröder formulierte einige pointierte Thesen, die meiner Ansicht nach eine deutlich konservative Handschrift tragen. Alice Schwarzer reagierte auf dieses Interview in einem offenen Brief. Das Thema bewegt seitdem die deutschen Medien. Auf der einen Seite des Ringes steht Kristina Schröder, die grundsätzliche Thesen des frühen Feminismus negiert; auf der anderen Seite Alice Schwarzer, die der Familienministerin die politische Kompetenz als Frauen- und Familienministerin abspricht.

Kristina Schröder spricht sich durchaus für die Heterosexualität als Rolemodel aus, sieht Sexualität nicht als potenzielle Unterwerfung der Frau an und ist der Meinung, dass Frauen durchaus einen Rock und Lippenstift tragen dürfen. Ferner sieht sie Knaben und Burschen als besonders zu fördernde Zielgruppe an und wehrt sich vehement gegen die Einführung einer Frauenquote in der Wirtschaft, um die sprichwörtliche gläserne Decke zu durchstoßen.

Für die meisten verständlich ist, dass sie auch als Familienministerin, ihr Privatleben nicht in der Öffentlichkeit zelebrieren will und gesteht doch bei aller Kritik ein, dass ihre persönliche Karriere nicht ohne den Feminismus möglich gewesen sei.

Im Gegenzug wirft Frau Schwarzer ihr quasi Ahnungslosigkeit vor - und ich werde das Gefühl nicht los, dass vor lauter Wut über die Ausführungen von Schröder, Frau Schwarzer die eine oder andere Äußerung in den falschen Hals bekam. Warum auch sollte Frau Schwarzer die Ministerin emphatisch daran erinnern, dass die frühe Ministerkarriere überhaupt erst durch die Leistungen des Feminismus möglich gemacht wurde - besonders da Frau Schröder gegen Ende des Interviews, das übrigens von Männern geführt wurde, dies eingesteht.

Frau Schwarzer vergreift sich meiner Meinung im Ton. Ich gewann den Eindruck, als hätten die Ausführungen der jungen Ministerin sie verletzt. Anders lassen sich die teils sehr persönlichen Angriffe von Alice Schwarzer - wie z.B. das Herumreiten auf dem jungen Alter der Ministerin - kaum erklären.

Natürlich ist es ein gefährliches Spiel, das die Ministerin spielt. Jungen- und Männerförderung ist nach wie vor ein schwieriges Thema: Die von Schröder monierte Feminisierung des Leher*innenberufs ließe sich schnell beheben; mit mehr Geld und mehr Prestige für den Beruf. In diesem Punkt sind die Ausführungen von Frau Schröder doch etwas unglücklich. Der hämische Hinweis von Frau Schwarzer, Frau Schröder solle doch "Sprecherin der neuen, alten so medienwirksam agierenden, rechtskonservativen Männerbünde" werden zielt eindeutig unter die Gürtellinie (pardon schiefes Bild!) - ist ein eindeutiges rhetorisches Foul, geht jedoch in die inhaltlich in die für mich richtige Richtung. Wie bereits in Österreich - als der FPÖ-Frauenministerin Herbert Haupt die berühmt-berüchtigte Männersektion forcierte, riskieren Politiker*innen, die Männerinteressen vertreten, schnell vor den Karren von Vaterschaftsrechtlern, Mannerbündlern und verkappten Frauenhassern gespannt zu werden. Hier den richtigen Grad zwischen echtem Gender Mainstreaming (Förderung beider Geschlechter, dort wo es notwendig ist) und männlicher Opferstigmatisierung zu gehen ist schwierig. Diese zynisch vorgebrachte Warnung sollte Frau Schröder von Frau Schwarzer annehmen...

Als kleine/r Webblogger/in steht es mir natürlich nicht an, den beiden Frauen (die vermutlich beide keine Damen sein wollen) einen Rat zu geben. Dennoch! Es ist ungemein spannend, was so ein kleines Interview auslösen kann. Nur nebenbei bemerkt. Einen ähnlichen Orkan hat das Interview des türkischen Botschafters in Österreich entfacht. Und das nur, weil er auf den diplomatischen Leersprech verzichtete und ganz einfach Tacheles redete (schiefes Bild! Ich weiß!).

Aber zurück zu den honorigen Frauen Schröder und Schwarzer, die offensichtlich nicht mehr gemeinsam haben, als das "Sch" am Anfang ihrer Nachnamen.

Zwei Punkte sind mir in den Interviews aufgefallen, die das Thema Frauen- und Familienpolitik in zwei ganz unterschiedliche Politikbereiche öffnen und zeigen, dass Geschlechterpolitik (um das Familienthema auszusparen) an und für sich eine Querschnittsmaterie ist, die alle politischen Ressorts betrifft.

Frau Schwarzer sieht die "Schuld", dass junge Männer vernachlässigt werden oder in der Gesellschaft nicht zurecht kommen in einem kulturellen Problem. Ich zitiere:

""Schuld" ist auch der Zuzug von Menschen aus Kulturen nach Deutschland, die eben leider nicht durch den Feminismus gegangen sind, wie die ex-sozialistischen Militärdiktaturen Osteuropas oder die muslimischen Länder. Deren Söhne geraten nun mit ihrem vormodernen, archaischen Männlichkeitsbild in unsere moderne Welt. Da liegt in der Tat reichlich Konfliktstoff und vieles im Argen."

Auch das ist vereinfacht und durchaus klischeehaft. Alice Schwarzer öffnet mit einer derartigen Argumentation die Tür für jene, die gegen den Kopftuchzwang auftreten, sich für "freie Frauen" einsetzen (wie es die FPÖ in Österreich tut) und von Feminismus dann reden, wenn es darum geht, Muslime zu diskreditieren. Passt es gerade nicht ins Konzept, dann sind Gender Mainstreaming und Feminismus die Wurzel allen Übels und wir erleben ein Frauenbild der Marke "Barbara Rosenkranz". Auch hier ist absolute Vorsicht geltend zu machen. Zyniker*innen könnten Frau Schwarzers Bermerkung, Frau Schröder solle sich zur Pressesprecherin der rechtskonservativen Männerbünde machen, an Sie selbst retournieren. Ein klassischer Fall von Bumerang. Leider!

Der eigentliche Heuler in Frau Schröders Argumentation liegt in meinen Augen jedoch woanders... Nach dem "gender pay gap" befragt, antwortet Schröder:

"Das ist schon längst durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verboten. Aber die Wahrheit sieht doch so aus: Viele Frauen studieren gern Germanistik und Geisteswissenschaften, Männer dagegen Elektrotechnik - und das hat dann eben auch Konsequenzen beim Gehalt. Wir können den Unternehmen nicht verbieten, Elektrotechniker besser zu bezahlen als Germanisten."

Zum einen geht es beim Gender Pay Gap (also der schlechteren Bezahlung von Frauen bei gleicher Qualifikation!) nicht nur um die Geisteswissenschaftler*innen auf der einen Seite oder die Techniker*innen auf der anderen Seite. Zum anderen macht es sich Frau Schröder schon ein bisschen einfach. Ihr Statement geht in die Richtung: Wenn Frauen Karriere machen wollen, dürfen sie halt nicht Geisteswissenschaften studieren und sich nachher beklagen, dass sie nichts verdienen, keinen Job finden oder als Sekretärinnen arbeiten müssen. Abgesehen von der Tatsache, dass es überhaupt nicht ersichtlich ist, wieso Geisteswissenschaftler*innen schlechter bezahlt werden und in vielen Fällen Tätigkeiten nachgehen für die früher eine Matura/Abitur vollkommen ausreichend war, ist die Aussage von Frau Schröder absolut bildungsfeindlich und widerspricht sich selbst. Auf der einen Seite will sie Buben fördern und ihnen männliche Role-Models an der Hand geben, auf der anderen Seite erkennt sie nicht, dass gerade eine geschlechtersensible Pädagogik (inklusive Berufsorientierung) wichtig ist, um die Dinge zu verändern. Von einer Ministerin zu hören, dass jene die Germanistik studieren, selbst schuld sind an ihrer Misere ist, mit Verlaub etwas dünn. Das erinnert mich daran, dass ein ehemaliger österreichischer Finanzminister (ebenfalls sehr jung als Minister) mit Affinität zu Tiroler Kristallen die so genannten Orchideenfächer aussterben lassen wollte. Gerade im Kontext von Integrations- und Bildungsdebatten könnten aber genau diese Fächer wichtig sein.

Mit anderen Worten: Die Debatte zwischen Kristina Schwarz und Alice Schwarzer geht weit über Feminismus, Familien- sowie Frauenpolitik hinaus. Sie berührt die Bereiche Integration, Bildung, Soziales uvm. Beide Kontrahentinnen haben sich meines Erachtens gehörig in die Nesseln gesetzt. Es ist jedoch schön zu sehen, dass das Thema Feminismus noch immer derartig Aufsehen erregt. Im Grunde gehen die Punkte dieser Runde an Alice Schwarzer. Wenn es nämlich keine Aufregung mehr um das Thema gäbe, dann würde ihre Arbeit vielleicht wirklich der Vergangenheit angehören.

Link: Interview von Kristina Schröder
Link: Offener Brief von Alice Schwarzer

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