Wa(h)re Männer...

In meinem Leben herrscht das Prinzip der Kulmination. Bestimmte Dinge kommen zeitweise in besonderer Häufung vor, bevor sie wieder von meinem Wahrnehmungsbildschirm verschwinden. Das Leben ist also keine Sinuskurve, sondern eine Wiese mit vielen Maulwurfshügeln, die es zu bearbeiten gilt.

Der neueste Maulwurfshügel auf meiner Lebenswiese heißt "Junge Freiheit". In meinem letzten Beitrag hier in diesem bescheidenen Weblog war es dieses Medium, das die Aussagen von Herrn Krüger in besonderer Weise kritisierte. Nun eine Woche später macht dieses Periodikum wieder auf sich aufmerksam.

Herr Schmidt-Ahmad, ein junger Mann, der Sozialwissenschaften und Philosophie studierte und ansonsten auch sehr umtriebig auf islamophoben Seiten, wie den PI-News publiziert, verfasst in der "Jungen Freiheit" einen Beitrag mit dem Titel "Die entmannte Gesellschaft". In dieser Kolumne stellt er dem Matriachatsmythos von der gemeinschaftlich organisierten Matriachatsgesellschaft letztendlich die Gründung der Römischen Republik entgegen, die alles andere als gewaltlos ist. Das Brillante am Beitrag von Herrn Schmidt-Ahmad ist, dass er der expansionistischen Republik die "virtus" als grundlegender Baustein ableitet, ja ohne die "virtus" es womöglich gar keine römische Republik und in Folge kein Kaisertum gegeben hätte und in weiterer Folge wahrscheinlich auch kein "heiliges römisches Reich deutscher Nation". Wie dem auch sei die so genannte "Virtus" Schmidt-Ahmad sieht die "virtus" nicht nur als Grundpfeiler des römischen "Gemein"wesens, sondern auich als besonders männliche Tugend. In der Tat streiter er gar nicht ab, dass "virtus" von "vir" (Mann) ableitet wurde. Im Übrigen sind die "Tugenden" wie mensch "virtus" aus dem Lateinischen übersetzen kann und darf heute im Französischen beispielsweise noch immer in Form der allerdings weiblichen "vertu" oder der englischen "virtue" vorrätig. Herr Schmidt-Ahmad geht sogar so weit, diesen Wert, diese Tugend - sprich die virtus - als explizit männlich herauszustreichen und bedauert im gleichen Atemzug, dass die männlichen Tugenden durch den Feminismus abgeschafft wurde. Ich darf an dieser Stelle den Autor zu Wort kommen lassen:

"Es ist kein Zufall, daß sich die bürgerliche Tugend der virtus, aus der heraus sich das römische Gemeinwesen aufbaut, von „vir“ ableitet, dem lateinischen Wort für Mann. Denn es sind vordergründig männliche Eigenschaften, die hier beschworen werden: Hart und streng zu sich und anderen, tapfer und kühn gegen Feinde des Gemeinwesens und so weiter – Roms Gründer hielten offensichtlich nichts von „Gender Mainstreaming“."


Herr Schmidt-Ahmad wittert in gewisser Weise Gefahr. Er sieht die Gesellschaftsordnung nicht nach matriachalen Gesichtspunkten gegliedert und durch die Entmannung sei sie vollkommen schutzlos. Fast schon subtil skizziert er ein Bedrohungsszenario durch "männliche" ich würde sagen "machistische" Gesellschaften, die der verweiblichten (an den Stammtischen würde das Wort "weibisch" wohl eher die Runde machen) deutschen Gesellschaft Gefahr bringen. Der Autor noch einmal im Zitat:

"Es kann keine Rücksicht darauf genommen werden, daß auch der dümmste Tölpel aus seinem Fiebertraum der friedlichen, multikulturellen Gesellschaft erwacht. Es kann nicht auf die begriffsstutzigste Feministen gewartet werden, die irgendwann begreifen wird, daß der einzige Schutz vor männlicher Gewalt nur männliche Gewalt sein kann – und nicht ihre weibliche Gesprächskompetenz."


Nun hätte Herr Schmidt-Ahmad die Geschichte der Republik auch im alten Griechenland beginnen lassen können, wo die Barbaren und Frauen explizit aus der Regierungsgeschäften heraus gehalten wurden. Nun hätte er weiter - bevor er auf der "virtus" herum reitet - zugeben müssen, dass die Gesellschaft die Frauen bis ins 20. Jahrhundert faktisch aus der Demokratie ausschloss und ihnen gar nicht die Möglichkeit zur Mitgestaltung einräumte. Vielleicht hätte Herr Schmidt-Ahmad auch mitbekommen, dass die weibliche Geschichte also das, das im anglophonen Sprachraum als "Her-Story" bezeichnet wird, konsequent negiert wurde und Errungenschaften durch Frauen wie etwa Hildegard von Bingen, Louise von Preußen, Melitta Bentz, Sophie Scholl uam. erst durch den Feminimus einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden - und mit ihr die vom Autor geschmähten, weiblichen Werte. Dass Männer in der heutigen Zeit ihre "virtutes" neu definieren müssen und sollen, mag unbestritten sein. Ein "Vorwärts, Kamaraden wir müssen zurück" - zurück in die Zeiten als ein Mann noch ein Mann war und die Frau ihm Untertan - kann es nicht mehr geben. Auch das sollte ein Philosoph, der sich mit Werten und Wertigkeiten beschäftigt, erkennen. Es wird jedoch zu bezweifeln sein, dass die Junge Freiheit es in Hinkunft unterlässt, antifeministische Maulwurfshügel zu stoßen.

Junge Freiheit, Kolumne "Entmannte Gesellschaft"

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