Schröder gegen Schwarzer... das ist Brutalität

Die beiden Damen mögen mir diesen Titel in Anlehnung an Hemut Qualitinger verzeihen, doch er passt gerade so schön. Worum geht es? Die deutsche Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und die Feministin Alice Schwarzer gerieten sich publizistisch in die Haare. Der Grund für die offen ausgetragene Querelle ist ein Interview, das die Familienministerin dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gab.

Schröder formulierte einige pointierte Thesen, die meiner Ansicht nach eine deutlich konservative Handschrift tragen. Alice Schwarzer reagierte auf dieses Interview in einem offenen Brief. Das Thema bewegt seitdem die deutschen Medien. Auf der einen Seite des Ringes steht Kristina Schröder, die grundsätzliche Thesen des frühen Feminismus negiert; auf der anderen Seite Alice Schwarzer, die der Familienministerin die politische Kompetenz als Frauen- und Familienministerin abspricht.

Kristina Schröder spricht sich durchaus für die Heterosexualität als Rolemodel aus, sieht Sexualität nicht als potenzielle Unterwerfung der Frau an und ist der Meinung, dass Frauen durchaus einen Rock und Lippenstift tragen dürfen. Ferner sieht sie Knaben und Burschen als besonders zu fördernde Zielgruppe an und wehrt sich vehement gegen die Einführung einer Frauenquote in der Wirtschaft, um die sprichwörtliche gläserne Decke zu durchstoßen.

Für die meisten verständlich ist, dass sie auch als Familienministerin, ihr Privatleben nicht in der Öffentlichkeit zelebrieren will und gesteht doch bei aller Kritik ein, dass ihre persönliche Karriere nicht ohne den Feminismus möglich gewesen sei.

Im Gegenzug wirft Frau Schwarzer ihr quasi Ahnungslosigkeit vor - und ich werde das Gefühl nicht los, dass vor lauter Wut über die Ausführungen von Schröder, Frau Schwarzer die eine oder andere Äußerung in den falschen Hals bekam. Warum auch sollte Frau Schwarzer die Ministerin emphatisch daran erinnern, dass die frühe Ministerkarriere überhaupt erst durch die Leistungen des Feminismus möglich gemacht wurde - besonders da Frau Schröder gegen Ende des Interviews, das übrigens von Männern geführt wurde, dies eingesteht.

Frau Schwarzer vergreift sich meiner Meinung im Ton. Ich gewann den Eindruck, als hätten die Ausführungen der jungen Ministerin sie verletzt. Anders lassen sich die teils sehr persönlichen Angriffe von Alice Schwarzer - wie z.B. das Herumreiten auf dem jungen Alter der Ministerin - kaum erklären.

Natürlich ist es ein gefährliches Spiel, das die Ministerin spielt. Jungen- und Männerförderung ist nach wie vor ein schwieriges Thema: Die von Schröder monierte Feminisierung des Leher*innenberufs ließe sich schnell beheben; mit mehr Geld und mehr Prestige für den Beruf. In diesem Punkt sind die Ausführungen von Frau Schröder doch etwas unglücklich. Der hämische Hinweis von Frau Schwarzer, Frau Schröder solle doch "Sprecherin der neuen, alten so medienwirksam agierenden, rechtskonservativen Männerbünde" werden zielt eindeutig unter die Gürtellinie (pardon schiefes Bild!) - ist ein eindeutiges rhetorisches Foul, geht jedoch in die inhaltlich in die für mich richtige Richtung. Wie bereits in Österreich - als der FPÖ-Frauenministerin Herbert Haupt die berühmt-berüchtigte Männersektion forcierte, riskieren Politiker*innen, die Männerinteressen vertreten, schnell vor den Karren von Vaterschaftsrechtlern, Mannerbündlern und verkappten Frauenhassern gespannt zu werden. Hier den richtigen Grad zwischen echtem Gender Mainstreaming (Förderung beider Geschlechter, dort wo es notwendig ist) und männlicher Opferstigmatisierung zu gehen ist schwierig. Diese zynisch vorgebrachte Warnung sollte Frau Schröder von Frau Schwarzer annehmen...

Als kleine/r Webblogger/in steht es mir natürlich nicht an, den beiden Frauen (die vermutlich beide keine Damen sein wollen) einen Rat zu geben. Dennoch! Es ist ungemein spannend, was so ein kleines Interview auslösen kann. Nur nebenbei bemerkt. Einen ähnlichen Orkan hat das Interview des türkischen Botschafters in Österreich entfacht. Und das nur, weil er auf den diplomatischen Leersprech verzichtete und ganz einfach Tacheles redete (schiefes Bild! Ich weiß!).

Aber zurück zu den honorigen Frauen Schröder und Schwarzer, die offensichtlich nicht mehr gemeinsam haben, als das "Sch" am Anfang ihrer Nachnamen.

Zwei Punkte sind mir in den Interviews aufgefallen, die das Thema Frauen- und Familienpolitik in zwei ganz unterschiedliche Politikbereiche öffnen und zeigen, dass Geschlechterpolitik (um das Familienthema auszusparen) an und für sich eine Querschnittsmaterie ist, die alle politischen Ressorts betrifft.

Frau Schwarzer sieht die "Schuld", dass junge Männer vernachlässigt werden oder in der Gesellschaft nicht zurecht kommen in einem kulturellen Problem. Ich zitiere:

""Schuld" ist auch der Zuzug von Menschen aus Kulturen nach Deutschland, die eben leider nicht durch den Feminismus gegangen sind, wie die ex-sozialistischen Militärdiktaturen Osteuropas oder die muslimischen Länder. Deren Söhne geraten nun mit ihrem vormodernen, archaischen Männlichkeitsbild in unsere moderne Welt. Da liegt in der Tat reichlich Konfliktstoff und vieles im Argen."

Auch das ist vereinfacht und durchaus klischeehaft. Alice Schwarzer öffnet mit einer derartigen Argumentation die Tür für jene, die gegen den Kopftuchzwang auftreten, sich für "freie Frauen" einsetzen (wie es die FPÖ in Österreich tut) und von Feminismus dann reden, wenn es darum geht, Muslime zu diskreditieren. Passt es gerade nicht ins Konzept, dann sind Gender Mainstreaming und Feminismus die Wurzel allen Übels und wir erleben ein Frauenbild der Marke "Barbara Rosenkranz". Auch hier ist absolute Vorsicht geltend zu machen. Zyniker*innen könnten Frau Schwarzers Bermerkung, Frau Schröder solle sich zur Pressesprecherin der rechtskonservativen Männerbünde machen, an Sie selbst retournieren. Ein klassischer Fall von Bumerang. Leider!

Der eigentliche Heuler in Frau Schröders Argumentation liegt in meinen Augen jedoch woanders... Nach dem "gender pay gap" befragt, antwortet Schröder:

"Das ist schon längst durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verboten. Aber die Wahrheit sieht doch so aus: Viele Frauen studieren gern Germanistik und Geisteswissenschaften, Männer dagegen Elektrotechnik - und das hat dann eben auch Konsequenzen beim Gehalt. Wir können den Unternehmen nicht verbieten, Elektrotechniker besser zu bezahlen als Germanisten."

Zum einen geht es beim Gender Pay Gap (also der schlechteren Bezahlung von Frauen bei gleicher Qualifikation!) nicht nur um die Geisteswissenschaftler*innen auf der einen Seite oder die Techniker*innen auf der anderen Seite. Zum anderen macht es sich Frau Schröder schon ein bisschen einfach. Ihr Statement geht in die Richtung: Wenn Frauen Karriere machen wollen, dürfen sie halt nicht Geisteswissenschaften studieren und sich nachher beklagen, dass sie nichts verdienen, keinen Job finden oder als Sekretärinnen arbeiten müssen. Abgesehen von der Tatsache, dass es überhaupt nicht ersichtlich ist, wieso Geisteswissenschaftler*innen schlechter bezahlt werden und in vielen Fällen Tätigkeiten nachgehen für die früher eine Matura/Abitur vollkommen ausreichend war, ist die Aussage von Frau Schröder absolut bildungsfeindlich und widerspricht sich selbst. Auf der einen Seite will sie Buben fördern und ihnen männliche Role-Models an der Hand geben, auf der anderen Seite erkennt sie nicht, dass gerade eine geschlechtersensible Pädagogik (inklusive Berufsorientierung) wichtig ist, um die Dinge zu verändern. Von einer Ministerin zu hören, dass jene die Germanistik studieren, selbst schuld sind an ihrer Misere ist, mit Verlaub etwas dünn. Das erinnert mich daran, dass ein ehemaliger österreichischer Finanzminister (ebenfalls sehr jung als Minister) mit Affinität zu Tiroler Kristallen die so genannten Orchideenfächer aussterben lassen wollte. Gerade im Kontext von Integrations- und Bildungsdebatten könnten aber genau diese Fächer wichtig sein.

Mit anderen Worten: Die Debatte zwischen Kristina Schwarz und Alice Schwarzer geht weit über Feminismus, Familien- sowie Frauenpolitik hinaus. Sie berührt die Bereiche Integration, Bildung, Soziales uvm. Beide Kontrahentinnen haben sich meines Erachtens gehörig in die Nesseln gesetzt. Es ist jedoch schön zu sehen, dass das Thema Feminismus noch immer derartig Aufsehen erregt. Im Grunde gehen die Punkte dieser Runde an Alice Schwarzer. Wenn es nämlich keine Aufregung mehr um das Thema gäbe, dann würde ihre Arbeit vielleicht wirklich der Vergangenheit angehören.

Link: Interview von Kristina Schröder
Link: Offener Brief von Alice Schwarzer
Johannes (Gast) - 15. Nov, 09:23

der Vergangenheit angehören ...

... "sogar als Mann" möchte ich hier anmerken: so lange die internationalen Statistiken auch in Mitteleuropa noch Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau von über 30 Prozent ausweisen, ist wohl noch einiges zu tun ...

Johannes

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