"Unzensuriert"er Genderwahn

Die FPÖ ist keine Partei wie alle anderen. Sie benutzt besonders eifrig das Netz, um sich als Hüterin der allumfassenden und einzigen Wahrheit zu betätigen. Von besonderem Interesse ist die Seite www.unzensuriert.at, die nach eigener Auskunft der Wahrheit verpflichtet ist. "Welcher Wahrheit?" werden sie fragen. Die Antwort lautet: Der wundersamen blauen Wahrheit. Unzensuriert.at gehört natürlich nicht direkt der FPÖ, sondern einem Verein. Der Vorstand des Vereins ist allerdings bestückt von zwei jungen Recken aus dem Dunstkreis des 3. Nationalratsabgeordneten Martin Graf.

Das ist natürlich noch kein Grund zur Sorge. Aber ebenso wie SOS-Heimat verbreitet "Unzensiert.at" sogenannte Nachrichten aus dem ultra-konversativen Blickwinkel. Der Artikel mit dem publizistikpreisverdächtigen Titel "Gender-Wahn bringt Ministerin ganz durcheinander" ist nicht nur eine Schmähung von Ministerin Karl, sondern ein Rundumschlag gegen Gender-Mainstreaming als Mittel zur Gleichstellung von Mann und Frau oder zur geschlechterspezifischen Betrachtungsweise.

Ausgangspunkt für das Paradebeispiel journalistischer Informationsarbeit ist eine parlamentarische Anfrage des FPÖ-Abgeordneten Deimek und Kolleg*innen vom 26. Jänner 2011. Dipl. Ing. Deimek stellt in seiner Anfrage, dass Gender Mainstreaming einen immer wichtigeren Stellenwert an der Johannes Kepler Universität zu Linz einnimmt. Abgesehen davon, dass die Anfrage über eine Art Prolog verfügt, mit einer erklecklichen Anzahl an Behauptungen und Hypothesen gespickt ist, die deutlich die Sicht der FPÖ auf Gender-Mainstreaming zeigen, beweisen die Fragen, dass die Abgeordneten der FPÖ einen großen Erklärungsbedarf in der Materie haben. Besonders die Frage "Weshalb wird bei Stellenausschreibungen nicht Wert auf Qualität, sondern auf das Geschlecht gelegt?" zeigt wes' Geistes Kind hier werkt. Die Top-Frage lautet allerdings:"Welchen fachlichen und beruflichen Nutzen werden Studenten (sic!!) aus dem Besuch von Gender-Lehrveranstaltungen ziehen?" Die FPÖ will sich einfach nicht damit abfinden, dass der Anteil an Frauen in Führungspositionen erhöht werden will und auf die Frage welchen Nutzen Studierende das Gender-Mainstreaming ziegen kann ich nur antworten: Mitbekommen, dass es auch Studentinnen gibt und nicht nur Studenten? Im Bereich der Archtitektur und der Stadtplanung bringt die Berücksichtigung beider Geschlechter in der Planungsphase deutlich bessere Ergebnisse. Wenn z.B. ein Bürogebäude an die Bedürfnisse von Männern und Frauen angepasst werden soll, könnten solch' interessante Dinge wie die Gestaltung von Ruheräumen ein Thema sein. Oder wie sieht es bei Bedürfnissen von Männern und Frauen bezüglich Automobilen aus?

Gender Mainstreaming ist eine Querschnittsmaterie, die in fast allen Fachbereichen, die direkt oder indirekt Auswirkungen auf Männer und Frauen haben, vorkommen soll und auch immer mehr vorkommt.

Aber zurück zu den Ausführungen auf "unzensuriert.at". Die Aussage, dass Gender Mainstreaming nichts mit sozialer Kompetenz zu tun hat, halte ich ebenso gewagt, wie die Ansage, dass die Universität zu einem Spielboden für politischen Extremismus durch die ÖH degradiert werden würde. Und hier wird deutlich aus welchem Holz die Herren von unzensuriert.at geschnitzt sind. Die Autoren (ich nehme einmal an, dass es sich nicht um Autorinnen handelt, bin aber bereit mich eines Besseren belehren zu lassen) echauffieren sich über ein "Homo-referat". Das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit, der unzensuriert.at so gerne sich selbst verpflichtet. Denn es handelt sich um ein "LesBISchwulTrans-Referat". Daneben gibt es noch ein "Frauenreferat". Aber in der zweidimensionalen Welt der FPÖ (Wir sind die Braven und Anständigen und alle anderen sind "Pfui-Gack") ist das sowieso wurscht. Jede Form von "alternativen Lebensstil" (alternativ zum Weltbild der FPÖ) ist wahrscheinlich "schwul" oder "homo". Kein Wunder, dass "schwul" noch immer als Schimpfwort für unmännlich etc,. gebraucht wird. Aber das ist eine andere Diskussion.

Wir lernen also erneut, dass die FPÖ homophob ist und keine Ahnung von Gender-Mainstreaming hat.

Wie gesagt: Frau Minister Karl hat durch ihre kryptisch-verklausulierte Antwort Wasser auf die Mühlen jener fließen lassen, die Gender-Mainstreaming als Gefahr und Bedrohung sehen. Klare Ansagen wären besser gewesen. Schade. Wieder eine Chance vertan.

Abgesehen davon, dass die Anfrage von Dipl.-Ing. Deimek stilistisch einige Hoppalas aufweist, was im Eifer des parlamentarischen Gefechts durchaus nachzusehen ist, weist die Anfrage zwei Fehler auf. Ich bin zwar normalerweise der Meinung, dass jede/r, der/die Rechtschreibfehler findet, diese auch gerne behalten darf, aber bei einem derartigen Lamento über die wissenschaftliche Qualität und der großen Sorge um die "Einschleusung von Gender-Mainstreaming" bin ich halt etwas genauer. Ich bin mir bewusst, dass Rechtsschreibung etwas für wenig wirtschaftlich verwertbare Fächer wie Germanistik ist (denn um diese Wissenschaft geht es im Allgemeinen) und die Wirtschaft es nicht so genau nimmt mit guten Texten. Doch wie gesagt: Bei soviel Sorge um die Ausbildung und Qualität will ich Ihnen ein Suchspiel nicht ersparen. Wo liegen also die Fehler? "Gendern ist verpflichten" und "Stellenausschreibungen Erfolgen nicht mehr nach Qualifikation."

Wer im Glashaus sitzt... Sie dürfen das Sprichwort selbständig beenden.

Link: unzensuriert.at
Link 2: Parlamentarische Anfrage an BM Karl
Linksfaschist (Gast) - 27. Jun, 20:15

Grammatik

Im Deutschen ist doch der Plural geschlechtsneutral. Warum sollte man daher immer wieder von -Innen sprechen? Das hilft den Frauen überhaupt nicht. Es wäre mehr geholfen, wenn es gleiche Entlohnung und vernünftige Wiedereinstiegsprogramme nach der Karenz gäbe, dann wäre die Sprachvergewaltigung zu vergessen.

spruecheklopfer - 30. Jun, 07:36

Plural - nicht geschlechtsneutral

Das Deutsche sieht bei Personenbezeichnungen eine weibliche und eine männliche Form vor. Also die Verkäufer (männlich) -> die Verkäuferinnen (weiblich). Benutze ich nun die Form "die Verkäufer" für eine gemischte Gruppen an Männern und Frauen, benutze ich eigentlich die männliche Form. Man/frau spricht hier vom Mitgemeintargument. Korrekterweise müsste man/frau jeweils von Verkäufern und Verkäuferinnen sprechen.

Es beginnt bei der Sprache und es hört bei den "vernünftigen" Wiedereinstiegsprogrammen auf.

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