Mittwoch, 21. Oktober 2009

Und wieder die Binnen-I-Tüpflerei

Vor kurzem wurde in diesem Blog fast schon frohlockend und jauchzend über den Tod des Binnen-I's berichtet. Ein Gaudeamus Igitur, quasi. Die StundentInnen sollten definitiv zu Stundent_innen werden und die Fleischhacker/innen zu Fleischhacker_innen. Denn spätestens seit "Der Knochenmann" von Wolf Haas haben wir gelernt, dass es auch ein so genanntes "drittes Geschlecht" gibt.

Nun hat die Kolumnistin Doris Knecht in einer ihrer Kolumnen (Kurier vom 14. 10. 2009 - zu lesen auf www.dorisknecht.com) es der Mühe für Wert befunden, ein Umfrageblatt, das die Wiener Volksschüler_innen im Rahmen von Wiens größter Schulbefragung vorgelegt bekamen, gendergerecht zu hinterfragen. Besonders die Frage: "Wie kommst du mit deinen Lehrern aus..?" beanstandete Frau Knecht, die offensichtlich mit einer gendergerechten Sprachlesehilfe ausgestattet ist. Das Binnen-I machte Frau Knecht folgerichtig zu seinem Sprachrohr. Dies aus mehreren Gründen: Zum Einen ist die Anzahl der Lehrerinnen wesentlich höher als jene der Lehrer. Man_frau muss das sprichwörtliche Mikroskop auspacken um überhaupt männliche Lehrkörper in Volksschulen zu finden. Zum Anderen habe eine SPÖ-Stadtregierung mit Schwerpuntk Gender Mainstreaming, die verdammte Pflicht auch für eine gendergerechte Sprache in Formularen, Prospekten und Flyern zu sorgen. Zum Dritten scheint es nach wie vor notwenig das gute, alte, von mir bereits ins Jenseits beförderte, Binnen-I zu reinkarnieren. Ein Bestehen auf einer (trans)gendergerechten Schreibung mutet für die meisten kompetenten Schreibenden wahrscheinlich wie Teufelswerk an. Wir sind offensichtlich nach wie vor nach dem Prinzip des "entweder...oder" pepolt. Ein Drittes kann es nicht geben. Nicht zuletzt räumt Frau Knecht in einem vorauseilenden Anflug von Konsilianz (oder vielleicht schon "Konzil"ianz) ein, dass ihre Kritik eine I-Tüpflerei sei. Soweit so gut, soweit so Knecht.

Dass die Kritik auf dem Fuße folgen würde, war ebenso klar. Robert Sedlaczek (hier geht es zum Artikel)behandelt die I-Tüpflerei von Frau Knecht in seiner Kolumne in der staatsgetragenen Wiener Zeitung. Die Wiener Zeitung ist etwas ganz Besonderes: sie ist nicht nur einer der ältesten Zeitungen der Welt, sondern auch eine veritable, österreichische Staatszeitung, die nicht nach dem Munde der Leser/innen schreiben muss/kann/darf/soll.

Die Argumente, die Herr Sedlaczek an den Tag führt sind so alt wie die feministische Sprachkritik - es gäbe ja schließlich, das generische Maskulinum, bei dem sich alle wiederfinden würden und das Binnen-I sei schwer auszusprechen. Nicht zuletzt die Unübersichtlichkeit des Splittings wird angeführt. Lehrerinnen und Lehrer etc. Alles bekannt, alles schon oftmals gelesen. Nicht zuletzt der Hammerhinweis, dass es für den Begriff "gender mainstreaming" kein "deutsches" Wort gäbe, lässt bereits ahnen, worum es dem Herrn Sedlaczek geht.

Besonders schön finde ich ja folgendes Argument:

"Der Einwand, Frauen seien beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint, kann ganz leicht entkräftet werden. Nehmen wir an, die Neunjährige fährt mit der Straßenbahn und liest das Schild: "Es ist verboten, während der Fahrt mit dem Fahrer zu sprechen!" Nur ein minderbemitteltes Kind wird annehmen, dass dieses Verbot bei Fahrerinnen nicht gilt."


Es ginge in diesem Beispiel nicht darum, dass das Kind eine Fahrerin munter anquatschen würde, nur weil man_frau mit "dem FahrER" nicht sprechen dürfe, sondern um das Sichtbarmachen von Frauen in der Sprache. Und man_frau denke das Argument von Herrn S. weiter. Dadurch, dass nämlich die deutsche Sprache sehr eindeutige Markierungen für weibliche Personen kennt - meistens durch das Suffix "-in", also in unserem Fall die "Fahrerin" - könnte man_frau in der Tat lesen, dass eh nur männliche FahrER gemeint sind und aus dieser Mehrdeutigkeit Kapital schlagen. Ich habe selbigen Trick einmal in meiner Zeit als PfeifenrauchER angewandt. Das allgemeine Rauchverbotszeichen zeigt nämlich eine durchgestrichene Zigarette und nicht eine durchggestrichene Pfeife. Herrn Sedlaczeks Argumentation folgend müsste für jeden Menschen klar sein, dass es sich um ein allgemeines Rauchverbot handele. Das ist es auch für die meisten Menschen. Die Zigarette meint quasi alle anderen Rauchuntensilien wie Bong, Joint, Pfeife, Wasserpfeife, Zigarre, Zigarillo mit. Da ich schon immer ein Problem mit Verboten hatte, ließ ich meinen "Handofen" im Flur eines so genannten öffentlichen Gebäudes munter qualmen. Der Hinweis von einer ordnungsverliebten Person auf das Nichtraucherschild wurde von mir eben mit selbigem gekontert, dass da nur eine Zigarette durchgestrichen sei... Der Mann drehte sich achselzuckend um... und ging; er murmelte etwas von "unverschämt..."

Also schon allein im Sinne der Eindeutigkeit sollten auf allen öffentlichen Hinweisen beide Geschlechter (am liebsten alle drei) markiert werden und vor allem deshalb, weil Fahrgäste in einem Akt völliger Subversion das Verbotsschild "Während der Fahrt nicht mit dem FahrER sprechen" wortwörtlich nehmen könnten. Die bequatschte Fahrerin könnte sich nicht einmal auf das Schild herausreden und sich selbst als mitgemeint bezeichnen.

Allgemein fehlt mir in beiderlei Beiträgen ein pädagogisches Argument. Wieso sollen Kinder nicht den Umgang mit einer gendergerechten Sprache von Kleinauf lernen? Die ganze Diskussion würde sich dann irgendwann zerschlagen. Kinder und Jugendliche sind sehr sprachsensibel und vor allem Jugendliche zeichnen sich durch einen kreativen Umgang mit Sprache aus. Sie darauf hinzuweisen, dass Geschlechter sich auch in der Sprache niederschlagen, ist durchaus sinnvoll und wer weiß; vielleicht würden sich Diskussionen um das Binnen-I in ein paar Jahren als vollkommen altmodisch erweisen und ich könnte dem Binnen-I eine schöne Leich' bereiten. Aber bis dahin ist noch ein langer Weg.

Übrigens noch der Hinweis an Herrn Sedlaczek: Wikipedia gibt folgende deutsche Entsprechungen für den Terminus "gender Mainstreaming": "Etablieren der Perspektiven sozialer Geschlechter", "geschlechtersensible Folgenabschätzung", "Integration der Gleichstellungsperspektive", "durchgängige Gleichstellungsorientierung" oder wie wäre es mit "Gleichstellung von Geschlechterdiversität". Nur so ein Vorschlag.

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