Herr Marin und die Pensionen 1.1.

Bernd Marin hat ja schon öfters von sich reden gemacht. Er gilt in Austria als einer der führenden Pensionsexperten und hatte sicherlich einigen Einfluss auf die so genannten Pensionsreformen der letzten Jahre, die im wesentlichen darin bestanden, das Beitrittsalter zu erhöhen.

Was vielleicht weniger Menschen wissen, ist dass Herr Marin auch gelegentlicher Kolumnist bei der Tageszeitung "Der Standard" ist. In der Ausgabe vom 12. März 2008 sinniert er über "ein geschlechtsneutrales Pensionsalter" und exemplifiziert durch ein Fallbeispiel, wie Frauen, die eigentlich gar nicht in Pension gehen wollen, in Pension geschickt werden. "Zwangspension als Frauendiskriminierung" titelt dann auch seine Kolumne. Sein Schlusssatz sei an dieser Stelle zitiert:

"Machen wir also endlich ein gleiches, geschlechtsneutrales Pensionsalter, wie alle modernen Wohlfahrtsstaaten, damit selbst gutgemeinte Alters- und Frauendiskriminierung schon vor 2034 unmöglich wird."
(Bernd Marin, der Standard, 12. März 2008)

Was da so als netter Gendermainstreaming-Gedanke daher kommt, als Idee endlich im "modernen Wohlfahrtsstaat" anzukommen, lässt mich dann doch sehr nachdenklich werden. Ich finde es immer sehr schön, wenn man/frau auf andere Systeme in anderen Staaten verweist, diese dann als besonders fortschrittlich tituliert, um eigene Sichtweisen und Argumente zu untermauern. Schon als Kind, wenn ich mit einer schlechten Schulnote nach Hause kam und diese zu legitimieren versuchte, indem ich behauptete, alle anderen seien auch nicht so toll gewesen, bekam ich des öfteren zu hören: "Das mag schon sein, aber nur deine Note ist mir wichtig. Die anderen zählen nicht für mich." So sehe ich das auch bei der Diskussion von Marin. Der ewige Verweis auf andere Staaten, die von Marin nicht einmal explizit genannt werden, ist sicherlich kein Beweis für dieses und jenes. Aber nicht nur das...

Der Aussage, dass in Österreich die vorzeitige Pension nachwievor ein beliebtes Mittel für Personalrotation ist scheint nicht von der Hand zu weisen sein. Besonders im Fall des Personalabbaus scheinen größere Unternehmen gerne diese Technik einzusetzen, um möglichst schonend vorzugehen. Dies ist in Österreich noch immer gute Sitte, wenn auch nicht mehr durchgehend, da das letzte Anheben des Pensionsantrittes dazu geführt hat, diese Möglichkeit der Personalzirkulation zu unterminieren. Nicht wenige Frauen und Männer rechneten noch vor wenigen Jahren bald in Pension gehen zu können und waren dann sehr überrascht als es dann plötzlich nicht mehr möglich war. Für viele begann damit die Tour de Force - Arbeitsmarktservice - Schulungen - Ansuchen um Pension - Arbeitsmarktservice und so weiter und so fort.

In Anbetracht dieser Tour de Force hat Marins Plädoyer für ein geschlechtsneutrales Antrittsalter durchaus etwas Gewinnendes. Runter mit dem Antrittsalter der Männer auf jenes der Frauen. Also mit 60 ab in die Pension, von mir aus mit der Option in allen Branchen und Bereicen auf weitere Beschäftigung bis 65. Für jene, die es wollen und jene, die es können.

Das von Marin "Sanierungsbedürftige" am Pensionssystem /(natürlich im Sinne einer nachhaltigen Sicherung) ist sicherlich mir einer Gleichsetzung des Beitrittsalters nicht erledigt, besonders dann nicht, wenn man/frau Erwerbskarrieren ein wenig genauer "zielgruppenspezifischer" unter die Lupe nimmt. Beispielsweise gelten für Akademiker/innen ganz andere Maßstäbe, was den Erwerbszeitraum betrifft, als für Hackler/innen. Akademiker/innen kommen verhältnismäßig spät in den Lohnarbeitsprozess, während Hackler/innen und Facharbeiter/innen durch die Lehrzeit bereits ca. 10 Jahre früher in den Lohnarbeitsprozess eintreten. Ferner erscheint es bei der zunehmenden Automatisierung, Digitalisierung und Auslagerung von Dienstleistungen und Produktion in Drittländer immer schwieriger der Fall zu sein, der Bevölkerung ausreichend Erwerbsarbeit zur Verfügung zu stellen. Pensionierung wird, wie oben angedeutet, als Gegenmittle eingesetzt. Ungelöst ist auch noch die Frage der Karenz (Familie, Betreuung von Angehörigen etc.) die weitgehend von Frauen übernommen wird und nicht zuletzt die Frage, wie es denn tatsächlich ausschaut mit über 55-Jährigen im Arbeitsleben.

Geht man/frau noch ein paar Gedankenschritte weiter und betrachtet, was z.B. die Entwicklungspsychologin und anerkannte Altersexpertin Ursula Staudinger (vgl: Die Zeit 11/2008 vom 06.03.2008 Seite 34) zum Thema Alter sagt, muss dem Gedanken das Antrittsalter immer weiter zu erhöhen doch mit einiger Vorsicht entgegnet werden. Wenn der Pensionsantritt immer mehr in das so genannte 3. Alter ausgedehnt wird, ist die Perspektive des wohlverdienten "Ruhe"standes im vierten Lebensabschnitt keine Perspektive. Hier wartet allzu oft die Demenz. Es gilt also die Hoffnung, dass auch die Älteren Arbeit als etwas Sinnstiftendes verstehen und neue Alters- und Arbeitsmodelle zu entwickeln.

Ich denke mit den Gedanken an die Ausführungen von Staudinger, dass ein Nachdenken über Pensionen stets ein Nachdenken über die Arbeitswelt erfordert . Mir riecht der Artikel von Herrn Marin, der sicherlich ein Experte auf seinem Gebiet ist, doch zu sehr nach einer Camouflage nach weiteren Erhöhungen des Pensionsantrittsalters unter dem Aspekt Gender. Ich glaube sein letzter Satz sollte lauten: "Wir müssen die Pensionskassen finanzieren. Koste es, was es wolle."

Aktuelle Beiträge

Platzmangel
Aus gegebenem Anlass: Manderl und Weiberl wird weitergeführt...
spruecheklopfer - 1. Okt, 06:27
Sylvie Francoise Van...
Neulich besprach ich in einer lustigen Runde das Thema...
spruecheklopfer - 25. Sep, 11:54
Pulloverausziehen als...
Das fand ich auch rasend komisch. Manueller Trackback: http://alteeule .blogage.de/entries/2011/9 /19/Ein-Tatort-und-die-Art -einen-Pullover-auszuziehe n
eule70 (Gast) - 21. Sep, 01:14
Tatort entdeckt Intersexualität...
Der "Tatort" ist nicht nur Krimi, sondern auch Gesellschaftsportrait....
spruecheklopfer - 20. Sep, 19:50
Eine OTS-Aussendung zum...
Es ist ja nicht unsere Sache hier im Weblog, komplette...
spruecheklopfer - 16. Sep, 18:59

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6390 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Okt, 06:27

Credits


Arbeitsmarkt
Aufgelesen
Cartoon
Gender und Geld
Ideologische Spielwiese
Kommunikation
Kurz notiert
Lexikon
MIszellen
Produkte für den Mann
Produkte für die Frau
Produkte für Sie und Ihn
Sprache und Geschlecht
Transgender
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren