Und wieder ist es ein Bub...1.1.

Die Aktion der Stadt Wien "Eine Stadt. Ein Buch" ist eine schöne Sache. Jedes Jahr erscheint pünktlich zur Wiener Buchmesse im Rathaus ein Buch, das in einer Stückzahl von 100.000 Exemplaren an die Menschen verteilt wird. Das erste Buch erschien 2002: Die "Ewigkeitsstraße" von Frederic Morton. Der Roman war Programm, hatte einen starken Wienbezug, der Autor ist außerdem unter dem Namen Mandelbaum bekannt. Er musste 1939 vor den Nazis fliehen. Ein perfekter Einstand für die Aktion, zumal der Autor einem breiteren Publikum in Österreich kaum bekannt gewesen sein dürfte. Die Verteilstellen, wo das Buch erhältlich war, wurden vom echoverlag, der für die Durchführung der Aktion verantwortlich zeichnete, fein säuberlich. Ein Buch für Leser/innen.

Es folgten weitere Autoren. Männlich. Bekannt und bestens kanonisiert. Imre Kertesz wurde als Nobelpreisträger mit einem Gratisbuch geehrt. Mit Johannes Mario Simmel wurde ein weiterer Wiener Autor verbreitet und in Erinnerung gerufen. Vor zwei Jahren wurde John Irving ins Programm genommen. Seine "Lasst die Bären los" hat mit Wien zu tun. Irving studierte zwar Anfang der 60er Jahre in Wien. Aber so weit ich informiert bin, mag er Wien nicht besonders. Auch hier gab es eine Ausnahme. Das Buch erschien nicht im November, sondern anlässlich Irvings neuestem Roman im Frühjahr 2005. Insgesamt war jedoch ein gewisser "roter Faden" zu erkennen, wenn auch ein sehr dünner, dem zerreissen nahe. Die Autoren hatten einen Wienbezug, meist biografisch. Kertesz bildet in gewisser Weise eine Ausnahme.

Und dann 2006 Tony Morrison mit "Sehr blaue Augen". Die Kritiker/innen, die stets unkten, dass keine Frauen in das Programm aufgenommen wurden, mussten verstummen. Tony Morrison ist Afroamerikanerin, Feministin und Literaturnobelpreisträgerin. Damit wurden alle Kritiker/innen bedient. Ein genialer Schachzug. Nein, Tony Morrison stellt keineswegs die langersehnte Quotenfrau in der langen Serie weißer, männlicher amerikano-europäischer Schriftsteller dar, die jetzt da säuberlich aufgebaut wird. Nein, mit Sicherheit nicht...

Und dann 2007 kommt Nick Hornby mit "Fever Pitch" daher. Der dritte anglo-amerikanische Schreibende. Klar, die Euro 2008 steht vor der Tür und die Wiener/innen sind noch nicht gerade in EUROphorie. Da bietet sich so ein Buch an. Eigentlich fast schon einfallslos. "Fever Pitch" wurde verfilmt und ist weitgehend bekannt. Andere hätten sich genauso angeboten. Zum Beispiel Javier Marias. Und ich stelle mir die Frage, was will "Eine Stadt. Ein Buch" wirklich. Was wird gefördert. Im Falle von Irving hatte man das Gefühl es geht um das Promoten seines Romans "Bis ich dich finde". Die "Bären" waren quasi ein Goodie zum Opus Magnus des Meisters.
Kertesz und Morton können als andere Form der Vergangenheitsbewältigung betrachtet werden. Also noch einmal meine Frage. Was soll mit dem Projekt gefördert werden? Das Lesen? Vielleicht. Ein großes Vielleicht. Die Vertriebswege sind mittlerweile zu undurchsichtig. Der Buchhandel kommt nicht mehr in den Genuss der Gratisbücher. In jedem Falle ist es eine Marketingaktion in Sachen "Stadt Wien"... ob das reicht?

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