Sprache und Geschlecht...

Und wieder ist es passiert. Der Gebrauch einer geschlechtsneutralen oder geschlechtsabstrahierenden Sprache wird ironisiert. Dass die Ironisierung gerade aus der Feder eines Journalisten des "Spiegel" fließt, finde ich sehr interessant.

Jan Fleischhauer führt einen Weblog unter dem Titel: "Unter Linken. Von einem der aus Versehen konservativ wurde." In einem Beitrag mit dem Titel "Gender Mainstreaming. Geschlechtsneutrale Päderastinnen" zitiert er den Autor/innenvertrag der "Zeitschrift aus Politik und Zeitgeschehen", die einmal wöchentlich erscheint. Die Zeitschrift weist ihre Autor/innen an, geschlechtsneutral zu formulieren. Soweit so gut.

Alles andere ist Polemik. Ich zitiere: "Es scheint so, als ob wir dem Tag nicht mehr fern sind, wo zumindest in den Schriften der Bundesbildungszentrale neben den Päderasten und den Totschläger getreu dem linguistischen Modellprojekt endlich die Päderastin und die Totschlägerin treten. Auch von “Holcaustleugnern und Holocaustleugnerinnen”, bzw. “den Rechtsradikalen und Rechtsradikalinnen” war bis dato in der Mainstream-Presse kaum die Rede, ein Misstand, dem jetzt sicher mit Bundesmitteln abgeholfen wird."
Quelle

Es gibt an und für sich nichts gegen den Gebrauch einer geschlechterneutralen oder geschlechtsabstrahierenden Sprache einzuwenden. Wer, wenn nicht Institutionen der öffentlichen Hand, sollten die Implementierung von Gender Mainstreaming weiterführen. Und gerade die deutsche Sprache kennt in seiner Grammatik ausreichend Mittel, um einen differenzierten und präzisen geschlechtsneutralen oder geschlechtshervorhebenden Sprachgebrauch, zu ermöglichen. Auch ein Blick auf die Bedeutung der einzelnen Wörter erscheint immer wieder als sinnvoll, da es doch Fälle gibt, in denen eine einfache weibliche Pluralbildung nicht reicht. Der Klassiker: die Mannschaft - wenn es sich um eine "Frau"schaft oder ein weibliches Team handelt.

Gerade die von Herrn Fleischhauer angebrachten Beispiele sind nicht würdig, die Diskussion über den politisch korrekten Gebrauch der Sprache respektive die Möglichkeit der Diskriminierungen sachlich zu führen oder gar das sprachliche Gender Mainstreaming zu ironisieren. Dies aus zwei Gründen. (1) Vor allem Personenbezeichnungen im Plural, die keine grammatisch weibliche Form kennen, brauchen keine gesonderte weibliche Form einzuführen: Beispiel: Gäste und Radikale, Leute, Personen uvm. Der Gast ist zwar vom grammatischen Geschlecht aus gesehen "männlich", verweist aber auf beide Geschlechter. Die Redewendung "Bei uns ist der Gast König" könnte also genauso gut lauten: "Bei uns ist der Gast Königin."

Auch die von Herrn Fleischhauer gewählte Form der Rechtsradikalinnen wäre eine kreative Neuschöpfung, die natürlich durchaus zulässig ist, will man/frau den Fokus auf den Umstand legen, dass es sich um weibliche Rechtsradikale handelt. (Übrigens ist die Konstruktion weiblich/männlich + Substantiv natürlich statthaft, wenn es darum geht das Geschlecht der Personen hervorzustreichen. Bsp: Eine Gruppe von männlichen Rechtsradikalen...).

(2) Bei der von Herrn Fleischhauer sicher "witzig" gemeinten Auflistung muss man/frau daher unterscheiden. Bei Totschläger/in und Holoaustleugner/in existieren sehr wohl weibliche Formen. Und es besteht auch außerhalb der Sprache die Möglichkeit, dass eine Frau eine andere Frau oder einen Mann tot schlägt, sprich zur Todschlägerin wird. Abgesehen davon, verweisen die benutzten Personenbezeichnungen auf einen viel zu ernsten Sachverhalt, um damit eine Genderdebatte lächerlich zu machen.

Aber dennoch gerade das Beispiel der Päderasten und Päderastinnen ist ein sehr spannendes. Päderasten sind Pädophile, sprich Menschen, die sich an Kindern vergehen. Dies ist der gemeinsame kleinste Nenner. Päderast hat jedoch auch zusätzlich eine stark homosexuelle Komponente und verweist am ehesten auf Männer, die - ich nehme das Wort bewusst - "Knaben" als Objekt ihrer Lust sehen. Der Päderast in weiblicher Form wäre also etwas unsinnig. Wahrscheinlich will Herr Fleischhauer genau dies hervorstreichen.

Das Einzige, was man/frau der der "Bundeszentrale für Politische Bildung" als Herausgeberin vorwerfen kann, ist, dass sie ihre Autor/innen auffordert die eingesandten Beiträge in einer geschlechtsneutralen Form abzufassen, ohne den Zusatz, dass dies natürlich nur dann anzuwenden ist, wenn es semantisch sinnvoll erscheint. Also bei "Schüler und Schülerinnen eines Mädchengymnasiums" wären die Schülerinnen den Schülern zu bevorzugen - oder wie ich einmal in einer Stellenanzeige gelesen habe: Wir suchen ein "Kindermädchen (m/w)", was genauso ein durchaus kontraproduktiver Einsatz von geschlechtsabstrahierenden Merkmalen ist.

Aber Herr Fleischhauer ironisiert ja nicht die Auswüchse eines falsch verstandenen sprachlichen Gender-Mainstreamings, sondern das gesamte Projekt. Daneben bedient er sich des plattesten aller Killerargumente, i.e. die angebliche Verschwendung von Budget- und Steuergeld: "Auch von “Holcaustleugnern und Holocaustleugnerinnen”, bzw. “den Rechtsradikalen und Rechtsradikalinnen” war bis dato in der Mainstream-Presse kaum die Rede, ein Misstand, dem jetzt sicher mit Bundesmitteln abgeholfen wird."

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